Kurz und knapp vorweg: Herr Hacke, ich liebe Sie. Haben Sie doch genau das Buch geschrieben, dass ich mir seit einiger Zeit wünschte. Aber von vorn.

Schon vor längerer Zeit fiel mir auf, wie unglaublich respektlos, schreiend und polternd Menschen in Online-Medien aufeinander losgehen. Nicht wirklich aufeinander, eher, gegen den Autor des kommentierten Artikels, gegen den Artikel selbst, gegen andere Kommentatoren, manchmal auch gegen die Welt an sich. Und gerne auch gegen „die da oben“. Weil „die da unten“ ja nichts haben. Und nichts kriegen. Und im Zweifelsfall in Bälde, also im Falle einer Islamisierung des Abendlandes oder schlicht der nächsten Firmenpleite – nicht mal VW ist mehr sicher! – alles verlieren.

Was für ein Wust aus Panik, Wut, Angst und Hysterie in voller Lautstärke. Und dazu: Trump. Der polterndste, dümmste, mit Abstand geltungsgeilste Vogel unter der Hemisphere, der per Twitter, PER TWITTER!, regiert, mit 120 Zeichen weltpolitische Krisen auslöst und das wird gewissermaßen achselzuckend hingenommen. Ja geht’s noch? Woher kommt das? War das schon immer so? Gab es vielleicht immer schon Orte, die ich in meiner gutbürgerlichen Bildungsblase nie wahrgenommen habe? Geht es uns vielleicht wirklich schlecht? Hat der, der am lautesten schreit am Ende recht? Mein Bauch sagt: Nein.

In sehr masochistischen Momenten lese ich mich durch ganze Foren. Und mein Kopf fährt Karussell auf der Suche nach Argumenten. Nach dem Aber. Aber es geht uns doch gut. Aber müssen wir uns so anschreien. Aber warum unternimmst Du nichts, wenn es so furchtbar ist? Meistens halte ich die Klappe. Weil ich nicht sicher bin, ob ich die besseren Argumente habe. Weil einiges so unglaublich abstrus ist, das mein Logikzentrum im Hirn Error anzeigt. Weil ich manchmal Themen nicht so weit durchschaue oder erst mal für mich recherchieren, klarer haben will, bevor ich mich schwarz oder weiß oder grau dazu äußere. Und weil ich manchmal das Gefühl habe, dass hinter dem ganzen lauten Theater etwas liegt. Das es eben nicht ausschließlich darum geht Angela Merkel zu diffamieren.

Und dann stolperte ich über den Buchtitel: „Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen.“ Geschrieben hat dieses – auch noch wunderschöne Büchlein – Axel Hacke, vielen bekannt als Kolumnist im SZ Magazin.

Ohne erhobenen Zeigefinger, einfach mit einem sehr klugen, historisch bewanderten, wunderbar belesenem Blick auf das Thema Anstand beleuchtet er zielsicher meine Fragen.

Eine riesengroße ans-Herz-lege-und-Leseempfehlung, für alle, die sich auch manchmal ebensolche und andere Fragen fragen.

 

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